Neue Produkttechnologien im Traktorenbau,

insbesondere elektromechanische Traktorgetriebe


Beschreibung des Ist-Zustands Kennzeichnung von Innovationspotentialen Elektromechanische Traktorgetriebe Ableitung eines Technologiekalenders

3. Elektromechanische Traktorgetriebe


Auf das besonders interessante Innovationspotential "elektromechanische Traktorgetriebe" wird hier exemplarisch tiefer eingegangen.

Allgemein verlangen die Kunden und der Markt zunehmend stufenlose Getriebe zur weiteren Produktivitätssteigerung, als Bestandteil von Systemen des Precision-Farming oder auch für neuartige Anwendungen6. Diese Getriebe sollen zudem robust sein, wenig Unterhalt erfordern und einen günstigen Wirkungsgradverlauf aufweisen.

Vier Lösungen für dieses Problem sind zwischenzeitlich hinreichend bekannt. Sie wurden auf der Agritechnica'97 jeweils mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Eine weitere Lösung ist ein elektromechanisches Getriebe. Diese Lösung ergibt sich aus der naheliegenden Anwendung von neuen technologischen Entwicklungen aus dem Maschinenbau und der Elektrotechnik.

Vor allem durch Entwicklungen in den letzten zehn Jahren wurde der Bereich vorteilhafter Anwendungen von elektrischen Antrieben erheblich erweitert (Bild 5). Zu nennen sind hier

- die erhebliche Erweiterung des Drehzahlstellbereichs durch die Entwicklung von Hochleistungsumrichtern, mit Schaltfrequenzen bis zu 50 KHz,

- die beträchtliche Erweiterung des Konstantleistungsbereichs durch die Anwendung der feldorientierten Regelung mit Rotorlagerückführung und Feldschwächung,

- die Reduzierung der Baugröße durch die Optimierung des Stromflusses und die Minimierung der Verluste mit Hilfe von Simulationen, der Berechnung mittels der Finite-Elemente-Methode und die Verbesserung der Werkstoffe

sowie

- die Entwicklung geeigneter Steuerungs- und Regelungssoftware.

Gleichzeitig setzte eine erhebliche Kostendegression durch größere Serien und dadurch fallende Fixkosten ein. Diese Entwicklung führte bereits bei zahlreichen technischen Produkten zum Ersatz aufwendiger mechanischer Getriebe und Steuerungen durch mechatronische Lösungen (Bild 6). So wurden in der Bahntechnik auch bei dieselgetriebenen Fahrzeugen die früher oft verwendeten hydraulischen Antriebe nahezu vollständig verdrängt. Ein ähnlicher Prozeß findet im Werkzeugmaschinenbau statt. Dort werden die Spindeln heute meist direkt elektrisch und nicht mehr über aufwendige, mechanische Verstellgetriebe angetrieben. Ebenso werden in Flurförderzeugen wie Gabelstaplern und Schleppern zunehmend elektrische anstelle von hydraulischen Antrieben eingesetzt. Lediglich bei Straßenfahrzeugen ist der Einsatz elektrischer Antriebe wegen der geringeren Leistungsdichte, d.h. wegen ihrer Baugröße und ihrem Gewicht, z.Z. nur in Nischenprodukten wie Hybridbussen und Batteriefahrzeugen sinnvoll. Das kann sich jedoch in Zukunft ändern, wenn Brennstoffzellenantriebe oder die z.Z. in Entwicklung befindlichen elektrisch-leistungsverzweigten Getriebe für Personenkraftwagen marktfähig werden.

Demgegenüber muß die Substitution mechanischer oder hydrostatisch-leistungsverzweigter Getriebe in landwirtschaftliche Traktoren schon jetzt ernsthaft in Erwägung gezogen werden; denn hier besteht zwischen den speziellen Anforderungen an das Produkt sowie den Eigenschaften elektrischer Antriebe eine ausgesprochen große Kongruenz.

Bekanntlich sind Traktorgetriebe wegen ihrer Baugröße, den übertragbaren Momenten sowie wegen ihres Stellbereichs teurer als vergleichbare Nutzfahrzeug- oder Personenkraftwagengetriebe (Bild 7). Der Trend zu lastschaltbaren oder hydrostatisch-leistungsverzweigten Getrieben führt zu weiteren Kostensteigerungen. Bei anhaltender Kostendegression für elektrische Antriebe sind deshalb langfristig Kostenvorteile zu erwarten.

Systembedingte Nachteile wie etwas größerer Bauraumbedarf und etwas höheres Gewicht sind bei Traktoren nicht unbedingt von Nachteil. Bezüglich des Wirkungsgradverlaufs und der Anwendungsmöglichkeiten sind elektrische Antriebe Lastschalt- oder hydrostatisch-leistungsverzweigten Getrieben zumindest ebenbürtig. Sie besitzen ihnen gegenüber aber zahlreiche Vorteile (Bild 8). Dies zeigt sich durch

- stufenlose, kraftschlüssige Kraftübertragung vom Stillstand über Kriechgeschwindigkeitenbis zur maximalen Fahrgeschwindigkeit,

- sanftes, ruck- und verschleißfreies Anfahren, Bremsen und Reversieren, auch unter maximialer Last,

- freie Programmierbarkeit für automatisiertes Fahren, Fahren im optimalen Betriebsbereich, Fahren mit Tempomatfunktion, Übertragung der maximalen Zugkraft, Ausnutzung der maximalen Leistung u.a.,

- Einsparung von Anlasser, Lichtmaschine, Konstantwasserpumpe, Riementrieb, Thermostat, Schwungrad, Kupplung, Betriebsbremse, Wende- und (Last-) Schaltgetriebe,

- idealer Motorzapfwellenbetrieb mit elektronischer Drehzahlregelung bei stufenlos variabler Fahrgeschwindigkeit durch nahezu vollständige Entkopplung von Motor- und Getriebedrehzahl.

- zusätzliche Verfügbarkeit der vollen Motorleistung in Form von Dreiphasen-Drehstrom sowie

- niedrige Betriebskosten durch einfachen Aufbau mit nahezu wartungsfreien Komponenten und hohem Gesamtwirkungsgrad.

Die Grundform eines elektrischen Traktorantriebs zeigt Bild 9. Dabei treibt ein Verbrennungs- motor einen Generator und die Motorzapfwelle an. Der für den Fahrantrieb benötigte Leistungsanteil wird in Form von Dreiphasen-Drehstrom am Generator abgegriffen, gleichgerichtet und dann mittels eines modernen Hochleistungsumrichters mit IGBT-Leistungshalbleitern wieder in Drehstrom mit variabler Stärke, Amplitude und Frequenz umgewandelt. Mit diesem Strom wird dann ein Elektromotor angetrieben, der mit einem konventionellen Endantrieb verbunden ist. Die Bedienung des Antriebs sowie die Wahl der jeweiligen Fahrstrategie erfolgt dabei über einen Handfahrhebel oder ein Pedal sowie über ein Benutzerterminal. Aus dieser Grundform können bei Bedarf mehrere Varianten abgeleitet werden. Ersetzt man den Verbrennungsmotor durch eine Turbine, so muß der Generator an die veränderte Eingangsdrehzahl sowie ein weiterer Elektromotor für den Zapfwellenantrieb vorgesehen werden. Bei der Stromerzeugung mittels Brennstoffzellen muß der Umrichter direkt an diese Zellen angeschlossen und das Wirkprinzip des Generators umgekehrt, er also zum Antrieb der Zapfwelle angewendet werden. Ebenso ist die Verwendung der gezeigten Grundform als Bestandteil eines elektrisch-leistungsverzweigten Antriebs möglich, indem man neben dem elektrischen Leistungsanteil. einen zusätzlichen mechanischen Leistungsanteil von dem Durchtrieb des Verbrennungsmotors zur Zapfwelle abgreift und diese beiden Leistungsanteile in einem Planetengetriebe zusammenführt, dessen Summierungswelle dann mit dem Endantrieb verbunden wird. Ein ähnlicher, allerdings nicht gleichwertiger Antrieb ist im übrigen schon in Form des Toyota-Hybrid-Systems als Personenkraftwagenantrieb auf dem Markt verfügbar. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt stellt jedoch die im Bild 9 gezeigte Grundform die bestgeeignetste Ausführung dar, um die Anforderungen an moderne Traktorgetriebe zu erfüllen.

Folgerichtig wurde dann auch diese Grundform für die Realisierung eines Prototyps ausgewählt ( Bild 10). Dieser Prototyp hat den Namen "Eltrac". Er entsteht im Rahmen eines Projekts, das aus Mitteln des Technologie-Programms Wirtschaft (TPW) des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützt wird. Dabei handelt es sich um einen serienmäßigen New Holland-Traktor mit einer Leistung von 100 KW, bei dem das Lastschalt- und Gruppengetriebe durch einen Elektroantrieb ersetzt wurde. Dieser Prototyp ist zunächst etwas größer als ein serienmäßiger Traktor. Das ist zum einen darauf zurückzuführen, daß die elektrischen Komponenten in einen serienmäßigen Traktor eingepaßt werden mußten, und zum anderen, daß beim Generator und beim Umrichter aus Kosten- und Verfügbarkeitsgründen zunächst luftgekühlte Versionen verwendet werden. Bei Serienproduktion und Verwendung ausschließlich wassergekühlter Komponenten können aber die ursprünglichen Abmessungen erzielt werden. Dennoch handelt es sich bei dem Prototyp um einen vollfunktionfähigen Traktor, an dem sich die genannten Vorteile praktisch nachvollziehen und verifizieren lassen. Auch wenn z.Z. erst wenige explizite, quantitative Messungen vorliegen, so haben doch die bisherigen Fahr- und Arbeitstests einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Der Vergleich des realisierten elektromechanischen Getriebes mit lastschaltbaren und hydrostatisch-leistungsverzweigten Getrieben erfolgt daher noch vorwiegend qualitativ. In Bild 11 werden acht Kriterien eines vollastschaltbaren, mechanischen Getriebes, je eines hydrostatisch-leistungsverzeigten Getriebes mit acht, vier bzw. einem Gang sowie eines elektromechanischen Getriebes gegenübergestellt. Da das elektromechanischen Getriebe eine vollständige, kurzzeitig stark überlastbare, elektrische Leistungsübertragung beeinhaltet, ergeben sich Vorteile sowohl hinsichtlich der Reversierung als auch des maximalen Anfahrmoments. Die weitestgehende Entkopplung der Drehzahl des Verbrennungsmotors von der Fahrgeschwindigkeit erlaubt erhebliche Kraftstoffeinsparungen bei Transportarbeiten. Die zusätzliche Leistungsabgabe in Form von Dreiphasen-Drehstrom ermöglicht den Antrieb von Tauchpumpen, Stallbelüftungen u.a. ohne den Umweg über einen Zapfwellengenerator. Für den Dauerbetrieb sind keine aufwendigen Maßnahmen zur Instandhaltung des Übertragungsmedium Öl erforderlich. Ebenso weist das elektromechanische Getriebe bessere Kaltlaufeigenschaften auf. Ein weiterer Vorteil ist sein sehr einfacher und robuster, mechanischer Aufbau. Mit diesem Vergleich wird die Erklärung des Innovationspotentials "elektromechanische Traktorgetriebe" abgeschlossen.


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